Die Arbeitslosenzahlen sind hoch, dennoch herrscht in manchen Bereichen Fachkräftemangel. Active Sourcing könnte hier Abhilfe verschaffen – vorausgesetzt, man weiß, wie’s geht. Florian Hochhauser ist HR-Manager bei karriere.at und Experte in der aktiven Kandidat*innenansprache. Er verrät, worauf es beim Active Sourcing ankommt und warum es nicht die Wunderwaffe ist, die sich viele wünschen.
Active Sourcing als Mittel gegen Fachkräftemangel
Ist Active Sourcing ein Trend, der schon wieder abgeflaut ist, oder trotz hoher Arbeitslosigkeit wichtig?
Florian Hochhauser: Active Sourcing ist definitiv kein Trend, sondern wird in vielen Bereichen immer wichtiger. Die aktuelle Arbeitslosigkeit ändert daran gar nichts, denn in vielen Berufssparten gibts nach wie vor zu wenige Fachkräfte. Häufig wird Active Sourcing aber als „Wunderwaffe“ gesehen, und das würde ich relativieren. Es ist ein Zugang, um dem Fachkräftemangel aktiv entgegenzuwirken, statt nur darauf zu hoffen, dass sich jemand bewirbt. Aber der Aufwand, den man dazu betreiben muss, steht leider oft nicht in Relation zum Ergebnis. Daher ist es keine „Wunderwaffe“.
Wieso nicht?
Florian Hochhauser: Es ist eine Möglichkeit, um über Talentpools oder Berufsnetzwerke geeignete Kandidat*innen zu finden – das bedeutet aber nicht, dass sie dann auch zusagen. Manche sind nicht wechselbereit, andere betreiben ihr Profil nicht aktiv und sehen die Anfrage gar nicht. Dann hast du zwar jemanden gefunden, der dich interessiert, kannst aber keinen Kontakt aufnehmen. Das ginge dann schon in Richtung Headhunting – und das ist teilweise echte Detektivarbeit.
„Mache Fachkräfte werden so sehr mit Anfragen bombardiert, dass sie gar nicht mehr reagieren.“
In welchen Bereichen ist Active Sourcing wichtig?
Florian Hochhauser: Das sind alle, in denen es zu wenige Fachkräfte gibt. Software-Entwickler*innen oder IT-Kräfte sind sehr aktuelle Beispiele. Das sind aber auch die Bereiche, in denen der Aufwand am größten ist, denn diese Fachkräfte werden teilweise so sehr mit Anfragen bombardiert, dass sie gar nicht mehr reagieren. Da muss man als Recruiter*in sehr gut wissen, womit man die Aufmerksamkeit des*der Kandidat*in bekommt. Und man braucht viel Geduld.
Erfolgsfaktoren der aktiven Kandidatenansprache
Worauf kommt es beim Active Sourcing deiner Meinung nach an?
Florian Hochhauser: Natürlich muss man die potenziellen Kandidat*innen erst mal finden. Kenntnisse wie die Booleschen Befehle sind dafür essenziell. Bei der Kontaktaufnahme ist dann eine individuelle Ansprache das Wichtigste. Auf Massenmails kommt meistens keine Reaktion. Ich muss also sehr gut erklären, warum ich an einer Zusammenarbeit oder zumindest einem Kennenlernen interessiert bin.
„Man muss den Kandidat*innen Sicherheit und Diskretion vermitteln.“
Man muss den Kandidat*innen auch eine gewisse Sicherheit, vor allem im Umgang mit den Daten, und Diskretion vermitteln. Und, das unterschätzen viele, ich muss gut Bescheid wissen über den jeweiligen Fachbereich und die Bedürfnisse der jeweiligen Fachkräfte. In hochspezialisierten Bereichen wie der Software-Entwicklung sollten deswegen auch die jeweiligen Führungskräfte ins Active Sourcing miteingebunden werden.
Wissenswertes über die Booleschen Befehle
Die komplexen Suchmaschinenbefehle nach George Boole werden gern im Active Sourcing eingesetzt. Florian empfiehlt zwei grundlegende Dinge dabei zu beachten:
- Suche mit sehr langen Suchstrings ist nicht zielführend
- Boolesche Befehle funktionieren nicht immer gleich in Suchmaschinen und ändern sich laufend -> Tüfteln und Geduld beweisen!
Also sollten nicht nur Recruiter Active Sourcing betreiben, sondern auch Führungskräfte?
Florian Hochhauser: Es ist ein großer Unterschied, ob ein CTO oder Head-of dich anschreibt, oder ein Recruiter. Unter Fachkollegen gibt’s eine ganz andere Gesprächsbasis. Man kennt die Probleme und Anforderungen des Fachbereichs, man teilt vielleicht ähnliche Erfahrungen oder denselben Humor. Auch wenn der Kandidat oder die Kandidatin im Moment nicht wechseln will, kann man damit einen positiven Eindruck hinterlassen. Active Sourcing ist Netzwerk- und auch Beziehungsarbeit. Manchmal kommt eine Zusammenarbeit erst Jahre später zustande, manchmal gar nicht.
Active Sourcing ersetzt nicht den Bewerbungsprozess
Sicherheit und Diskretion sind wichtig, hast du betont. Inwiefern?
Florian Hochhauser: Viele Kandidat*innen haben Angst, der aktuelle Arbeitgeber könnte mitbekommen, dass man mit einem anderen Unternehmen im Gespräch war. Es soll sogar vorkommen, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter*innen falsche Anfragen schicken, um ihre Loyalität zu testen – da ist so mancher dann verständlicherweise sehr misstrauisch. Deshalb muss man ihnen erklären, dass das tatsächlich eine ernsthafte Anfrage ist und wirklich eine Stelle ausgeschrieben ist. Ich schicke auch immer den Link zum Inserat mit.
„Eine erste Kontaktaufnahme ist immer unverbindlich.“
Dann muss man glaubhaft vermitteln, dass keine Daten gespeichert werden, das ist im Sinne der DSGVO ja auch gar nicht erlaubt. Und, das ist auch wichtig: Eine erste Kontaktaufnahme, selbst wenn ein Telefonat zustande kommt, ist immer unverbindlich und noch keine Bewerbung. Es geht um ein lockeres Kennenlernen ohne Erwartungshaltung. Ob sich der*die Kandidat*in dann bewirbt, ist völlig offen.
Active Sourcing erspart also nicht den Bewerbungsprozess?
Florian Hochhauser: Im Normalfall nicht, nein. Erst im richtigen Bewerbungsprozess erkennt man, ob man tatsächlich zusammenpassen würde. Wie schon gesagt, es ist eine Möglichkeit, mehr passende Kandidat*innen zu finden undmehr gute Bewerbungen zu bekommen. Eine Erfolgsgarantie gibts nicht.
Whitepaper: Besseres Recruiting mit Active Sourcing
Mehr Tipps zum gezielten Einsatz von direkter Kandidatenansprache gibts in unseren kostenlosen Whitepaper.
Author: Kim Lawson
Last Updated: 1703488562
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